Geschichte

Die Anfänge des Bläserchores

Ein wichtiger Teil der Musikarbeit in der FeG Geisweid wird seit über 50 Jahren von dem Bläserchor Geisweid wahrgenommen. Den Anstoß für die Gründung des Chores gab ein Besuch der Musikkapelle des schweizerischen Bibellesebundes unter der Leitung von Karl Vögelin in Klafeld anläßlich einer Evangelisation. Deren Art zu musizieren beeindruckte einige junge Männer der Geisweider Gemeinde so nachhaltig, daß sie beschlossen, einen Posaunenchor zu gründen.
So ohne weiteres loslegen konnte man aber noch nicht; zunächst mußte das Vorhaben von dem Vorstand der Gemeinde gebilligt werden. Das nachstehend auszugsweise zitierte Protokoll der Vorstandssitzung vom 02.11.1959 belegt, daß die Begeisterung der jungen Männer von den Vorstandsmitgliedern nicht geteilt wurde.
Vorstandssitzung am 02.11.1959 im Sitzungszimmer des Gemeindehauses

[…] Bruder Ernst Grebe trug den Antrag vor, einen Posaunenchor gründen zu dürfen. Hinter dem Antrag stehen zunächst 7 – 8 junge Brüder der Gemeinde, die Freude am Posaunenblasen haben. Die musikalische Leitung will Bruder Heinz Schnell übernehmen, während Bruder Werner Weyel Verbindungsmann zwischen den Bläsern und der Gemeinde sein möchte, ohne selbst mitzublasen. In der Erwartung, daß ihr Antrag genehmigt wird, haben die zukünftigen Bläser schon eifrig Notenlesen geübt, sich mit der theoretischen Seite der Sache befaßt und in Zusammenkünften, die sie auf Dienstagabend legten, eifrig ihre Beiträge zusammengelegt, um sich an der Finanzierung ihres Vorhabens zu beteiligen.
[…] Bruder Ernst Grebe stellt die Frage, wann und wo die Bläser üben können, ohne daß von der Öffentlichkeit der Vorwurf wegen Ruhestörung gegen unsere Gemeinde erhoben werden könne.
[…] Bruder Ahrens wies darauf hin, daß die Jungen, wenn sie schon übten, auch öffentlich auftreten wollten. Wir müßten uns die Frage stellen, ob die Gemeinde hieran interessiert sei. Unter diesem Gesichtspunkt kam dann ein längeres, mit Sachlichkeit geführtes Gespräch über Für und Wider in Gang.
Wir hörten, daß das Siegerland ein Land der Posaunenchöre wäre, daß aber ein großer Teil der nun schon mehrere Jahrzehnte bestehenden Chöre unter anderen Voraussetzungen ins Leben gerufen wurden, als sie jetzt bei uns vorliegen. Im Bund der Freien evangelischen Gemeinden gibt es nur wenige Posaunenchöre.
[…] Es wurde erwähnt, daß in einer Männerchorstunde die Posaunenfrage auch schon einmal besprochen worden sei. Damals wurde gesagt, daß der Posaunenchor eine reine Männerchorsache, also gewissermaßen eine Abteilung des Männerchores sein sollte. Bei der Gelegenheit wurden auch die Namen der jungen Männer genannt, die mitblasen wollten. Wir stellten fest, daß gegen die genannten Jungen nichts einzuwenden sei. Sie sind alle Glieder des Männerchores und erfüllen, soweit das ersichtlich ist, auch ihre Pflichten dem Chor gegenüber.
Ohne triftigen Grund versäumt keiner von ihnen weder die Übungsstunde noch irgend einen Dienst, den der Chor zu tun hat. Dieser Umstand wurde als günstiges Anzeichen für die Beständigkeit ihrer Absicht gewertet. Bei allem Abwägen über die Licht- und Schattenseiten wurde auch nicht übersehen, daß unsere jungen Leute ohnehin schon abends so stark beansprucht seien, daß kaum einmal ein Abend im Elternhaus und in der Familie verbracht würde. Es besteht daher die Befürchtung, daß der Besuch der Gebets-und Männerchorstunden nachlassen wird, wenn außer den schon bestehenden Chören und Gruppen auch noch ein Posaunenchor entstehen soll. Für den Gemeindedienst wird aber das Gesungene für wertvoller als das Geblasene gehalten.
Die Besorgnis, die Posaunenfreunde könnten bei Ablehnung des Antrages vielleicht der Gemeinde den Rücken kehren, teilten nicht alle Brüder. Wenn diese Befürchtung zurecht besteht, dann wäre die Bindung der jungen Männer an die Gemeinde nur oberflächlich und das wollte doch niemand behaupten. Dann müßte man es sich destomehr überlegen, ob man der Sache zustimmen solle oder nicht, da ja damit die Gefahr angedeutet wäre, daß die Jungen nur um des Posaunenblasens bei der Gemeinde blieben. Bei einer solchen Einstellung kann man damit rechnen, daß sie nach geraumer Zeit auch mit Posaunen der Gemeinde verloren gehen.
[…] Beim Betrachten der mancherlei Umstände legte sich den Vorstandsbrüdern eine hohe Verantwortung auf, die sie nicht alleine tragen möchten. Es wurde daher beschlossen, die Sache der zum 14.11.59. 17h einzuberufenden Brüderversammlung vorzutragen und die Brüder zu bitten, sich die Fragen aufs Herz zu nehmen und gewissermaßen als Frucht der Überlegungen und des Gebets in der übernächsten Brüderversammlung zu einem Entschluß zu kommen.“
Allen vorgebrachten Bedenken zum Trotz fand schon die Brüderversammlung vom 14. November 1959 ein einhelliges Ja zur Gründung eines Posaunenchores. Schnellstens wurden nun Hörner angeschafft und schon bald wurden erste Lieder in Gemeindegottesdiensten vorgetragen.
Wenn die Bläser bei ihren ersten Auftritten auch keinen Ohrenschmaus boten, so war die Reaktion aus der Gemeinde doch positiv. Beispielsweise ermunterte Ewald Stein die Bläser nach ihrem ersten Liedvortrag mit der Bemerkung, er habe schon nach der zweiten Strophe erkennen können, welches Lied intoniert wurde!
Das Niveau konnte erfreulicherweise in kurzer Zeit so gesteigert werden, daß der Chor schon bald über die Gemeinde hinaus bekannt wurde. Diese guten Fortschritte waren auf mehrere Ursachen zurückzuführen.
Als erstes bewiesen die Bläser eine große Einsatzfreude. Neben der regulären Übungsstunde richteten einige Bläser in den Anfangsjahren noch eine zusätzliche Übungsstunde in der Backstube Lache ein, wo sie von Hans Georg Lache bestens versorgt wurden. Fleißig wurde auch zu Hause geübt. Später wurde die Zahl der regulären Übungsstunden auf wöchentlich zwei festgelegt, was bis zum heutigen Tag beibehalten wurde.
Ein Glücksfall für den Chor war im übrigen die Berufung von Karl-Heinz Schnell zum ersten Chorleiter. Er trug die Führungsverantwortung von 1959 bis 1992 und gab sie dann an seinen Sohn Helmut ab. Als er zum Chorleiter berufen wurde, hatte er schon langjährige Erfahrungen als Leiter des Männer- und gemischten Chores gesammelt. Seine hohe Musikalität stellte er ohne Vorbehalte in den Dienst der Chorarbeit und war den Bläsern in seiner Einsatzfreudigkeit jederzeit Vorbild. Bei allem Engagement für die Musik war es ihm immer wichtig, daß die vorrangige Aufgabe eines Gemeindechores, das Lob Gottes zu verkündigen, nicht in den Hintergrund treten sollte.
Eine weitere wesentliche Ursache für die Entwicklung des Chores war die Ausrichtung der Instrumentation auf die sogenannte „englische Besetzung“, d. h. der Chor trat und tritt als Brass Band auf. Damit unterscheidet er sich wesentlich in seinem Klang von herkömmlichen Posaunenchören, die z. B. Kornetts, Es-Hörner oder Euphonien mit ihrer jeweils eigenen Klangfärbung nicht kennen. Dies ist auch der Grund, weshalb der Chor sich nicht als Posaunenchor, sondern als Bläserchor bezeichnet.
Der Unterschied zu herkömmlichen Posaunenchören bezieht sich aber nicht nur auf die Klangfärbung, sondern auch auf das Repertoire. Das Repertoire des Bläserchors war und ist sehr vielfältig, es reicht von Klassikbearbeitungen über Arrangements älterer und neuer Kirchenlieder bis hin zu Spirituals, Märschen und Liedern im Popstil. Nachdem gerade in den Anfangsjahren des Chores von Vertretern der traditionellen christlichen Blasmusik gewisse Vorbehalte gegen die mitunter ungewohnt flotten Klänge vorgebracht wurden, zeichnet sich aber seit einiger Zeit ab, daß bestimmte Musikrichtungen, die von Brass Bands schon seit längerem gepflegt wurden, auch in Posaunenchorkreisen zunehmend „hoffähig“ werden. Eine interessante Entwicklung für den Bläserchor auch deshalb, weil sich damit vielleicht zunehmend Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit hiesigen Posaunenchören ergeben könnten.
Es waren demnach einige Gründe, die zu der so schnellen positiven Entfaltung des Chores beitrugen. Diese Entwicklung führte dazu, daß man schon bald zu Diensten außerhalb der Gemeinde eingeladen wurde. Schon 1965 wurde die erste Auslandsreise in die Schweiz unternommen. Weitere Konzertreisen nach Holland (1971), Österreich (1983), Frankreich (1985), Schweiz (1986) und Tschechien/Polen (1996) sollten sich anschließen.
Auch in Deutschland wurden in den verschiedensten Städten und Dörfern Konzerte gegeben. Häufig war der Chor auch bei Konferenzen, Festgottesdiensten und Evangelisationen zu hören. Zweifellos zu den Höhepunkten der Chorgeschichte gehören die Konzerte, die unter der Stabführung von Eric Ball gegeben wurden. Eric Ball war der wohl bedeutendste Komponist sowohl säkularer als auch geistlicher Blasmusik. Über den zuvor schon erwähnten Karl Vögelin kam Karl-Heinz Schnell 1966 in der Schweiz in persönlichen Kontakt mit Eric Ball, der einer Einladung nach Geisweid erstmals 1968 folgte. An eine intensive Übungswoche schlossen sich mehrere Konzerte an. Unvergeßlich wird wohl allen Beteiligten das Konzert in der Siegerlandhalle bleiben, bei dem 15 Minuten vor Beginn der Veranstaltung die Halle wegen Überfüllung geschlossen werden mußte!
Bleibend war der Eindruck, den Eric Ball bei den Bläsern hinterließ. Beeindruckend war zum einen seine musikalische Meisterschaft, zum anderen aber ebenso, wenn nicht noch mehr, seine tiefe Spiritualität, die sich auch in einer großen persönlichen Bescheidenheit äußerte, und die so unverkennbar in vielen seiner Kompositionen zum Ausdruck kommt. Die 1968 aufgenommene Verbindung hielt bis zum Tod von Eric Ball 1989 an. Eric Ball war insgesamt sechsmal in Geisweid, zuletzt 1982. Der Bläserchor verdankt der Verbindung nicht zuletzt einige ihm eigens zugeeignete Kompositionen.
1967 war insofern ein bemerkenswertes Jahr in der Chorgeschichte, als die erste Schallplatte aufgenommen wurde, was damals noch ein für einen Gemeindechor außergewöhnliches Unterfangen war. Weitere acht Schallplatten und zwei CDs wurden in späteren Jahren bespielt, die letzte im Jubiläumsjahr 1999. Im Jahr 2009 kam eine weitere CD mit Liveaufnahmen aus verschiedenen Konzerten sowie die Aufnahme des Jubiläumskonzerts in der Talkirche hinzu.
Häufige Auftritte hatte der Chor in Altersheimen und Krankenhäusern. Immer wieder konnten die Bläser feststellen, daß insbesondere durch bekannte Melodien selbst solche Menschen noch berührt werden, die durch das gesprochene Wort zumindest nicht mehr erkennbar erreicht werden können.
Am häufigsten in all den Jahren hat der Chor im Gottesdienst der Gemeinde in Siegen-Geisweid gespielt. Die Bläser sind froh darüber, daß ihr Dienst in der eigenen Gemeinde nach wie vor von vielen Gottesdienstbesuchern geschätzt wird. Der Chor versteht sich als Gemeindechor, wenn er auch offen ist für Bläser aus anderen Gemeinden, die das Anliegen des Chores, Gottes Lob mit guter Blasmusik zu verbreiten, teilen.
Selbstverständlich besteht die Chorgeschichte nicht nur aus Höhepunkten. Auch sind noch manche Aufgaben in Zukunft zu lösen. So stellt sich z. B. die Frage, wie angesichts der Tatsache, daß offensichtlich immer mehr Jugendliche Schwierigkeiten haben, eine fordernde musikalische Ausbildung durchzuhalten, sichergestellt werden kann, daß Nachwuchs in ausreichender Zahl gewonnen werden kann. Die Chorgeschichte gibt den Bläsern aber vor allen Dingen Anlaß, dafür dankbar zu sein, daß sie während all der Jahre ihren Bläserdienst verrichten konnten und dabei häufig selbst gesegnet wurden.